Mit dem Kind wegziehen … darf ich das? – Familienrecht, aber richtig #5

 

Bild: David Pereiras / fotolia.de

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In der letzten Woche haben wir darüber gesprochen, welche Umgangsrechte Opa oder Oma oder sonstige Dritte haben.

Heute möchte ich Ihnen darstellen, wie es sich verhält, wenn das Sorgerecht bei den Eltern zur gemeinsamen Ausübung liegt, der betreuende Elternteil aber umziehen möchte.

Der typische Fall dabei ist wie folgt:

Das Kind wohnt bei einem Elternteil, nehmen wir heute einmal die Mutter. Der Kindesvater hat das „übliche“ Umgangsrecht, sieht sein Kind also alle zwei Wochen an einem Wochenende in der Zeit von Freitagnachmittag bis Sonntagabend.

Beide wohnen relativ nah beieinander, so dass der Vater nur kurze Strecken auf sich zu nehmen hat, um das Kind abzuholen oder zurückzubringen. Alles läuft gut und das Verhältnis zwischen dem jeweiligen Elternteil mit dem Kind ist gut. Die Eltern verstehen sich nicht mehr blenden, bekommen aber alles im Wesentlichen geregelt.

Nun gibt es verschiedene Fallkonstellationen, wie sich das Ganze weiterentwickeln könnte.

  1. Der Kindesvater entscheidet sich zum Beispiel aus beruflichen Gründen, von Düsseldorf nach Köln zu ziehen.

Hier ändert sich für den Umgang eigentlich nichts, außer dass der Vater nunmehr die längere Reise auf sich nehmen und letztlich auch finanzieren muss.

Bei einer derartigen Fahrtstrecke dürften sich aber keine wesentlichen Beeinträchtigungen des Umgangs einstellen.

Auch muss der Kindesvater seinen Umzug natürlich nicht absprechen, sondern kann diesen in eigener Verantwortung durchführen.

Trotzdem versteht sich eigentlich von selbst, dass eine Absprache zwischen den Elternteilen und auch eine verantwortungsvolle Einbeziehung des Kindes in die neue Situation unbedingt im Vorfeld (!) geschehen sollte.

Zieht der Kindesvater aber zum Beispiel von Düsseldorf nach Berlin, mag die Sache etwas anders aussehen.

Die regelmäßigen Umgangskontakte können (müssen aber nicht) eine erhebliche oder gar unzumutbare Belastung des Kindes darstellen, so dass vielleicht eine andere Umgangsregelung besser geeignet wäre. Hier könnte man an größere Abstände denken und dafür die Tage am Stück verlängern oder in den Ferienzeiten auffangen.

Dennoch ist es die Entscheidung des Kindesvaters allein, ob er selbst umzieht. Er muss halt nur gegebenenfalls höhere Kosten und einen eingeschränkten Umgang in Kauf nehmen.

Auch hier hilft es natürlich, sich zuvor einvernehmlich zu einigen. Sonst hilft nur noch das Familiengericht bei der Überprüfung der Umgangsregelung.

  1. Anders sieht es nun aus, wenn in unserem Fall sich die Kindesmutter entscheidet, gemeinsam mit dem bei ihr lebenden Kind, für das aber beide Eltern die elterliche Sorge gemeinsam ausüben, umzuziehen.

Grundsätzlich darf die Kindesmutter in diesem Fall alle alltäglichen Belange des Kindes in eigener Verantwortung regeln. Hierzu gehören zum Beispiel die Themen

  • Kleidung
  • Taschengeld
  • Besuche bei Verwandten oder Bekannten

Sobald es gilt, wichtige Angelegenheiten des Kindes zu regeln, muss aber der mitsorgeberechtigte Elternteil zustimmen. Solche Themen sind zum Beispiel

  • Medizinische Eingriffe
  • Wahl der Religion
  • Wohnort des Kindes

An dieser Stelle ist also -hier die Kindesmutter- auf die Zustimmung des Kindesvaters angewiesen, möchte sie den Wohnort des Kindes ändern.

Theoretisch könnte sie ihren eigenen Wohnort ändern, aber wo bliebe dann das Kind. Dennoch betrifft die Notwendigkeit der Zustimmung nur den Wohnort des Kindes.

Dies gilt auch dann, wenn noch so gute Gründe (aus Sicht der Kindesmutter) für den Umzug sprechen. Das alles mag den Wunsch für den Umzug rechtfertigen, ersetzt aber nicht die Zustimmung des anderen Elternteils.

Hier ist also angezeigt, miteinander zu reden und sich bestenfalls zu einigen. Kommt keine direkte Einigung daher, sollte man auch nicht direkt mit Kanonen auf Spatzen schießen und sofort das Familiengericht bemühen, sondern vielleicht eine vermittelnde Stelle gemeinsam aufsuchen. Hierzu sind übrigens Bekannte oder andere Familienmitglieder nur sehr eingeschränkt geeignet, da stets der unterschwellige Vorwurf des anderen mitschwingt, diese Personen seien doch befangen. Suchen Sie am besten gemeinsam eine Beratungsstelle, einen Mediator aus.

Wenn es auch dann keine Einigung gibt oder die Zeit aus diversen wichtigen (!) Gründen drängt, muss eben doch das Familiengericht angerufen werden. Auch hier sollten Sie, um die emotionale Schärfe aus der Sache zu nehmen, einen Fachanwalt für Familienrecht zu Rate ziehen, welcher Sie dann vor Gericht vertritt und die Angelegenheit in geeignete und der Sache gerecht werdende Bahnen lenkt.

Das Familiengericht wird, stimmt es dem Umzug zu, dem beantragenden Elternteil das sogenannte Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen. Es bestimmt also nicht selbst den Wohnort, sondern überträgt das Recht hierzu einem Elternteil.

Wichtig hierbei ist: Dies gilt dann auch für weitere Umzüge. Wäre in unserem Fall der Ehemann dann mit einem weiteren Umzug nicht einverstanden, müsste er, käme es zu keiner gütigen Einigung, wieder das Familiengericht bemühen, um diesen weiteren Umzug untersagen zu lassen.

Soweit, so gut. Doch gilt diese Vorgehensweise eigentlich auch, wenn man zum Beispiel nur innerhalb einer Kleinstadt ein paar Straßen weiterziehen möchte?

Grundsätzlich: „Ja!

Problematisch wird dies meist aber nur dann, wenn der Elternteil, bei welchem das Kind lebt, zu einem neuen Partner oder Partnerin ziehen möchte. Dann keimt oft die Angst auf, dieser neue Partner/Partnerin werde die eigene Elternrolle verdrängen. Hier gilt es, behutsam und miteinander vorzugehen.

Ein Umzug in eine andere Stadt oder gar weit weg (zum Beispiel von Hamburg nach München) erfordert natürlich erst recht eine Zustimmung. Hier wäre dann auch regelmäßig die Frage der Kostenerstattung für die Reisekosten des umgangsberechtigten Elternteils und des Kindes zu klären.

Äußerste Vorsicht ist auch bei Umzügen ins Ausland geboten. Stimmt nämlich hier der andere Elternteil nicht zu, greift das Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980 (HKÜ).

Ja, Sie haben richtig gelesen. Ein Umzug ins Ausland ohne Zustimmung des anderen Elternteils kann eine Kindesentführung darstellen. (Im Inland gilt dies theoretisch auch, ist aber nicht so evident, da die Gerichte meist im Nachgang für Ordnung sorgen)

Nach dem HKÜ kann das Kind dann zwangsweise zurück nach Deutschland geführt werden, zur Not auch ohne den umgezogenen Elternteil.

Generell orientieren sich auch in solchen Fällen die Gerichte am Wohl des Kindes. Hier gibt es auch keinen Automatismus, dass das Kind unbedingt bei dem bisher betreuenden Elternteil bleiben muss. Aspekte, welche bei der Beurteilung durch das Gericht berücksichtigt werden, sind beispielsweise

  • Die Beziehung zwischen dem Kind und dem umgangsberechtigten Elternteil
  • Einschränkungen des Umgangsrechts durch den Wohnortwechsel
  • Planung des Umzugs – Nur Wunsch oder konkrete Planung
  • Umgebung und Umstände am neuen Wohnort
  • Bindungen des Kindes an altem und neuem Wohnort
  • Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes

Diese Punkte sind umfassend abzuwägen und das Kindeswohl gilt vor (!) allen noch so berechtigten Interessen der Eltern.

Ein Umzug mit dem Kind, weg von dem anderen Elternteil sollte daher wohl durchdacht sein und vor allem im besten Fall mit diesem auch abgestimmt und gemeinsam beschlossen werden, auch wenn es vielleicht alles andere als leichtfällt.

Auch hier wird es Ihnen Ihr Kind sicherlich sehr danken!

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In der nächsten Woche handelt unser Beitrag in der Reihe „Familienrecht, aber richtig“ über das gemeinsame Sorgerecht bei unverheirateten Eltern. Ich freue mich, wenn ich Sie auch dann wieder als Leser oder Zuschauer begrüßen werden kann.

 

Es grüßt Sie herzlich
Ihr

Thorsten Haßiepen
-Rechtsanwalt-
-Mediator-
-Fachanwalt für Familienrecht-
-Fachanwalt für Sozialrecht-

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