Anonyme Samenspende zukünftig nicht mehr so anonym – OLG Hamm – Urteil vom 06.02.2013 – Az. I-14 U 7/12)

hammerEin behandelnder Arzt hat nach dem Willen den Oberlandesgericht (OLG) Hamm eine Auskunftspflicht bei Kindeszeugung durch heterologe Insemination.

Ein durch künstliche Befruchtung gezeugtes Kind kann also von dem die Mutter behandelnden Arzt Auskunft über seine genetische Abstammung verlangen.

Das Landgericht Essen hatte in seinem Urteil vom 07.02.2012 (Az. 2 O 260/11) noch anders geurteilt. Knapp ein Jahr später entschied nun das OLG Hamm (Urteil vom 06.02.2013, Az. I-14 u 7/12) und änderte das vorinstanzliche Urteil ab.

Die 21-jährige Klägerin wollte in Erfahrung bringen, von welchem Mann sie abstammt. Der Arzt hatte aber seinerzeit mit den beteiligten Personen vereinbart, den Samenspender anonym zu halten und war der Ansicht, das diesbzgl. Geheimhaltungsinteresse u.a. sei höher zu bewerten, als das Auskunftsbegehren der Klägerin.

Das OLG jedoch sah es genau andersherum. Es führte sogar aus, Geheimhaltungsinteressen der Mutter und des gesetzlichen Vaters seien nicht zu berücksichtigen, denn sie seien ja mit der Auskunftserteilung an die Klägerin einverstanden.

Das OLG Hamm berief sich sodann auf die Grundrechte der Klägerin, nämlich die freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde, zu welchen auch ein autonomer Bereich privater Lebensgestaltung gehöre, in dem sie ihre Persönlichkeit entwickeln und wahren könne. Um dies aber tatsächlich durchführen zu können, müsse sie die konstitutiven Faktoren, zu welchen auch ihre Abstammung gehöre, kennen.

Gegenüber diesen fundamentalen Rechtspositionen müsse die Freiheit zur Berufsausübung auf Seiten des Arztes sowie das Recht des Spenders auf Anonymität zurücktreten.

(vgl. Pressemitteilung OLG Hamm vom 06.02.2013)

Kommentar (von Rechtsanwalt Thorsten Haßiepen):

Inhaltlich ist das Urteil sicherlich richtig und zu verstehen. Jeder Mensch hat das Recht, seine Abstammung zu erfahren.

Allerdings bleibt jenseits der rechtlichen Interessenslage ungeklärt, ob durch dieses Urteil ansonsten kinderlos bleibenden Eltern, welche nur durch eine (anonyme) Samenspende ein Kind bekommen können, nicht ein Bärendienst erwiesen wurde.

Das Gericht hat betont, dass familienrechtliche Regelungen nicht zur Disposition der Beteiligten stehen. Somit sind dann Samenspender letztlich als leibliche Väter anzuerkennen … mit allen Folgen im Erb- und Unterhaltsrecht … Das mag für so manchen Spender, welcher sich ein wenig Geld hinzuverdienen wollte, eine unangenehme Überraschung werden.

Auch wird es wohl nicht der Wunsch sein, dass demnächst Samenspender, wie es in anderen Ländern bereits praktiziert wird, aus Katalogen entsprechend ihrer Vorzüge und Merkmale ausgewählt werden können.

Daher:
Juristisch richtig ist das Urteil sicherlich … die Folgen sind aber derzeit noch nicht abzuschätzen.
Es bleibt ohnehin abzuwarten, ob -auch wenn diese zunächst nicht zugelassen wurde- der Bundesgerichtshof oder höhere Instanzen das Urteil in einer Revision oder anderen Rechtsmitteln aufheben.

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