Familienrecht: Wie berechnet man eigentlich den Zugewinn bei Scheidung?

Bild: synGGG / fotolia.de

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Über den Zugewinn und dessen Ausgleich
Wenn sich Eheleute trennen, kommt es oftmals zu der Frage, ob und wie denn das Vermögen aufgeteilt werden soll und es wird so manche Begehrlichkeit geweckt. In diesen Situationen entsteht auch die Frage nach dem „Zugewinn“ und wie dieser ausgeglichen wird.
Dabei besteht zunächst der Grundsatz, dass in einer Ehe, für welche kein Ehevertrag geschlossen wurde, der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft besteht. In einer solchen „Standardehe“ kann also ein Ausgleichsanspruch auf Zugewinn entstehen.
Der Begriff der „Zugewinngemeinschaft“ ist dabei leider etwas irreführend, da er den Anschein erweckt, Vermögen der Eheleute werde immer gemeinsam erworben.
Vermögen und Schulden bleiben grundsätzlich getrennt
Richtig ist, dass Eheleute in einer Zugewinngemeinschaft weiterhin getrennte Vermögen haben. Lediglich im Falle einer Auflösung der Ehe, z.B. durch Scheidung oder Tod, wird das während der Ehezeit hinzugewonnene Vermögen zwischen den auseinandergehenden Eheleuten aufgeteilt und ausgeglichen. So könnte man richtigerweise also von einer „Gütertrennung mit schuldrechtlichem Zugewinnausgleichsanspruch“ sprechen, aber das Gesetz formuliert es eben anders. Vermögen und Schulden bleiben denoch grundsätzlich getrennt.
Beginn und Ende der Zugewinngemeinschaft
Für die Berechnung des Zugewinns und den sich daraus ableitenden Zugewinnausgleich sind zwei Daten von besonderer Bedeutung: Das Hochzeitsdatum und das Datum der Zustellung des Scheidungsantrages.
Mit der Hochzeit beginnt die Zugewinngemeinschaft. Sie endet, wenn der Scheidungsantrag zugestellt wurde.
Etwas anderes kann gelten, wenn es durch Abschluss eines Ehevertrags festgelegt wurde.
Darüberhinaus kann auch noch der tatsächliche Trennungszeitpunkt relevant sein. Das aber muss im Einzelfall geprüft werden und soll daher hier nicht behandelt werden.
Berechnung des Zugewinns
Der Zugewinn wird dann für jeden Ehegatten getrennt berechnet und stellt die Differenz zwischen den sogenannten Endvermögen und Anfangsvermögen dar.
Beispiel:
   Endvermögen: 100.000 Euro
   – Anfangsvermögen: 50.000 Euro
   = Zugewinn: 50.000 Euro
Dies gilt für die Ehescheidung. Im Todesfall gelten besondere erbrechtliche Vorschriften, auf welche im Rahmen dieses Artikels aber nicht eingegangen werden soll.
Das Anfangsvermögen
Anfangsvermögen ist dabei das Vermögen, welches der einzelne Ehegatte zum Anfang der Zugewinngemeinschaft mit in diese eingebracht hat.
Je nach Dauer einer Ehe werden sich wahrscheinlich keine Aufzeichnungen über das Anfangsvermögen mehr finden lassen oder wurden, wovon regelmäßig auszugehen sein dürfte, gar nicht erst erstellt. Da aber das Anfangsvermögen bewiesen werden muss, wird bei Fehlen eines solchen Nachweises das Anfangsvermögen im Zweifel mit 0 (null) angesetzt (§ 1377 Abs. 3 BGB).
Der Nachweis kann zum Beispiel durch Vorlage von Kontoauszügen, Sparbüchern, Grundbuchauszügen oder dergleichen erfolgen.
Das Endvermögen
Endvermögen ist das zum Zeitpunkt der Beendigung der Zugewinngemeinschaft bestehende Vermögen des jeweiligen Ehegatten.
Zum Endvermögen gehört das gesamte Vermögen des jeweiligen Ehegatten, welches zum Zeitpunkt des Scheidungsantrages vorhanden ist. Schulden sind dabei abzuziehen.
Unerheblich ist grundsätzlich, woher das Vermögen stammt. Selbst ein Lottogewinn, der lange nach der eigentlichen Trennung erfolgte (vgl. BGH, 09.10.2013, Az. XII ZR 125/12), Schmerzensgeld (vgl. BGH, 27.05.1981, Az. IVb ZR 577/80), Lebensversicherungen, die nicht der Altersvorsorge, sondern der Vermögensbildung dienen und nicht dem Versorgungsausgleich unterliegen, gehören zum Endvermögen.
Auch gemeinsames Vermögen, z. B. das eheliche Haus, gehört zum Endvermögen. Dabei wird jedem Ehegatten natürlich nur der auf ihn/sie entfallende Anteil zugerechnet. Haben die Ehegatten also ein Haus in jeweils hälftigem Eigentum im Wert von Euro 300.000, so hat jeder der Ehegatten ein Vermögen von Euro 150.000.
Der privilegierte Erwerb
Neben dem Anfangs- und Endvermögen ist auch noch der sogenannte privilegierte Erwerb für die Berechnung des Zugewinns zu berücksichtigen (§ 1374 Abs. 2 BGB).
So ist Vermögen, welches in der Zeit des Bestehens der Zugewinngemeinschaft entweder von Todes wegen (z. B. Erbschaft) oder als sogenannte Ausstattung erworben wird, dem Anfangsvermögen hinzuzurechnen. Dies gilt nicht, wenn solches Vermögen den Umständen nach zu den Einkünften zu rechnen ist.
Eine Erbschaft zum Beispiel erhöht also das Anfangsvermögen und schmälert dann den Zugewinn.
Beispiel:
  Endvermögen: 225.000 Euro
  – Anfangsvermögen: 100.000 Euro
  – Privil. Erwerb: 50.000 Euro
  = Zugewinn: 75.000 Euro
Indexierung
Der Wert des Anfangsvermögens ist zu indexieren, also dem heutigen Wert anzupassen, da Faktoren wie die Inflation und dergleichen zu berücksichtigen sind. Gleiches gilt für den privilegierten Erwerb, dann jedoch ab dem Zeitpunkt des Erwerbs. Bei der Indexierung wird die Preissteigerung seit dem Jahr der Zuwendung auf Basis des Verbraucherpreisindex (VPI) errechnet.
Hiermit wird sichergestellt, dass z. B. ein Geldbetrag, welcher unverbraucht und unverändert seit Beginn der Ehe einem Ehegatten zur Verfügung stand und zum Zeitpunkt der Ermittlung des Endvermögens noch vorhanden ist, nicht durch den eingetretenen Kaufkraftverlust, vor allem bei langjährigen Ehen, unter Wert berücksichtigt wird.
Eine Vermögensmehrung auf Grund der Verzinsung oder einer Wertsteigerung hingegen gilt als Zugewinn, z. B. also ein gestiegener Grundstückswert oder ein gestiegener Aktienkurs.
Berechnung des Ausgleichsanspruchs
Nachdem für jeden Ehegatten der einzelne Zugewinn als Differenz zwischen Anfangs- und Endvermögen ermittelt wurde, werden dann die beiden Zugewinne gegenübergestellt.
Die hälftige Differenz zwischen den Zugewinnen stellt dann den Ausgleichsanspruch dar.
Beispiel:
   Ehemann
      Endvermögen: 200.000 Euro
      – Anfangsvermögen: 100.000 Euro
      – Privil. Erwerb: 50.000 Euro
      = Zugewinn Ehemann: 50.000 Euro
   Ehefrau
      Endvermögen: 50.000 Euro
      – Anfangsvermögen: 50.000 Euro
      – Prvil. Erwerb: 0 Euro
      = Zugewinn Ehefrau: 0 Euro
   Differenz Zugewinn:
      Zugewinn Ehemann – Zugewinn Ehefrau
      50.000 Euro – 0 Euro
   Hieraus ½:
      25.000 Euro
   In unserem Beispiel hat der Ehemann der Ehefrau also Euro 25.000
   als Zugewinnausgleich zu zahlen.
Verzinsung
Zu guter Letzt bleibt noch festzuhalten, dass der Zugewinnausgleichsanspruch ab Rechtskraft der Scheidung, sofern nicht ausnahmsweise ein vorheriger Anspruch auf den Ausgleich bestand, zu verzinsen ist, mithin also auch danach nicht an Wert verliert.
Wichtig
Der Zugewinnausgleichsanspruch muss aktiv geltend gemacht werden. Er wird nicht automatisch in einem Scheidungsverfahren behandelt. Er unterliegt auch der Verjährung (regelmäßig drei Jahre ab Kenntnis über Beendigung der Zugewinngemeinschaft) und ist daher rechtzeitig anzufordern.
Einigungen über den Zugewinnausgleich sind natürlich immer möglich und zur Vermeidung ansonsten unter Umständen jahrelang dauernder Rechtsstreitigkeiten auch oft vorzuziehen.
Wie immer gilt, dass jeder Sachverhalt einzeln zu prüfen ist und sich daher die Prüfung durch einen Rechtsanwalt oder besser Fachanwalt für Familienrecht empfiehlt.